Das „Eine kleine Nachtmusik“-Syndrom

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„Mozart war ein Wunderkind.“
„Beethoven komponierte taub.“
„Bruckner musste zwei Stunden zu Fuß zu seinen Orgelstunden laufen.“

Teenager finden solche Geschichten beeindruckend. Ich weiß das, weil ich viele Jahre Musik an einer Brennpunktschule unterrichtet habe.

Das Interesse der Kids bleibt – bis ich mich zurücklehne und ihnen etwas Klassisches vorspiele, zum Beispiel Mozarts Eine kleine Nachtmusik. Ein Stück, das  bis zur Erschöpfung gespielt wurde. Aber, so mein Gedanke, immerhin erkennen sie es aus der Werbung wieder. Doch sobald das erste Taa – tataa – tatatatataa erklingt, beginnt die erste Reihe mit der letzten zu quatschen, eine mysteriöse Welle akuter Blasenschwäche erfasst das Klassenzimmer, und unter den Tischen werden Zigaretten gedreht.

Wenn ich stattdessen Samuel Barbers Adagio auflege, dazu dirigiere und mich voll in den Schmerz hineinfallen lasse – ohne Angst, mich vor der Klasse zum Affen zu machen – dann starren mich eine Gruppe Möchtegern-Gangster und Möchtegern - Soap-Darstellerinnen an, als wären Sie gerade Zeuge geworden, wie ihr Lehrer den Verstand verliert. Aber nur für einen Moment.  Als Zugabe gibt’s Mahlers Adagietto aus der Fünften – vor einem jetzt mucksmäuschenstillen Klassenzimmer.

Das ist nun einige Jahre her.

Dass ich heute Fotografie nutze, um die Wahrnehmung von klassischer Musik vom Eine kleine Nachtmusik-Syndrom zu befreien, fühlt sich vollkommen logisch an. Mit den richtigen Partnern kann ich viel mehr Menschen erreichen. Und eigentlich mache ich nichts grundlegend anderes:

Ich präsentiere etwas Neues.

Ich versuche, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen – durch meine eigene Authentizität und visuelles Erzählen.

Ich setze auf Emotionen.

Ich versuche nicht, klassische Musik als etwas zu verkaufen, das sie nicht ist. Sie ist nicht cool im jugendlichen Sinne. Sie ist nicht hip. Aber sie bewegt wie keine andere Musik – manchmal so sehr, dass es mich in meine Einzelteile zerlegt.

Was für den Unterricht galt gilt auch für die Fotografie. Möchte ich, dass man mir zuhört, muss ich alles daran setzen dass man das auch tut. Wenn ich das nicht mache habe ich auch kein Recht zu hoffen, dass der Funke überspringt.

The “Eine kleine Nachtmusik Syndrome”.

“Mozart was a child prodigy.”
“Beethoven composed while deaf.”
“Bruckner had to walk two hours on foot to get to his organ lessons.”

Teenagers find stories like that impressive.
I know this because I spent years teaching music at a tough inner-city school.

Their interest usually lasts… right up until the moment I sit back and play them something classical – like Mozart’s Eine kleine Nachtmusik.
A piece played to the point of exhaustion. But I figured: At least they’ll recognize it from commercials.

But the second that first taa – tataa – tatatatataa hits, the front row starts chatting with the back, a mysterious wave of sudden bladder emergencies sweeps through the classroom, and cigarettes start getting rolled under the desks.

Now, when I put on Samuel Barber’s Adagio, start conducting it, and let myself fall completely into the pain – with zero fear of making a fool of myself in front of the class – suddenly a group of wannabe gangsters and soap-opera divas stare at me like they’ve just witnessed their teacher losing his mind.

But only for a moment. Then comes the encore: Mahler’s Adagietto from his Fifth – and the classroom is dead silent.

That was a few years ago.

That I now use photography to free classical music from the Eine kleine Nachtmusik syndrome”
feels like the most natural thing in the world.

With the right partners, I can reach so many more people.
And really, I’m not doing anything fundamentally different:
I’m presenting something in a new way.

I’m meeting people where they are – through authenticity and visual storytelling.

I lead with emotion.

I’m not trying to sell classical music as something it’s not.
It’s not “cool” in a teenage sense. It’s not trendy. But it moves like no other music does – sometimes so deeply it breaks me into a thousand pieces.

And what was true for teaching is just as true in photography: If I want people to listen, I have to give everything to share my enthusiasm. If I can’t manage that, I have no right to hope the spark will catch.

 

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„Niemand interessiert sich für Fakten.“ (Henri Cartier-Bresson)